15. Dezember 2003 |
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Etat 2004
GRÜNE Stellungnahmen
zur Haushaltsplanung |
Am 11. Dezember beriet der
Rat der Stadt Gladbeck den Haushalt des Jahres 2004. Nachfolgend geben wir die
Haushaltsrede unseres Fraktionsvorsitzenden Mario Herrmann wieder. Es gilt das gesprochene
Wort.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Im vergangenen Jahr hatte ich meine Stellungnahme zum Etat mit vier Fragen eingeleitet,
die im Kern wissen wollten, ob der Gladbecker Rat vor dem Hintergrund dramatisch
verschlechterter finanzieller Rahmenbedingungen zu verantwortungsbewusstem Handeln in der
Lage sein werde. Es zeigte sich damals, dass er es mit großer Mehrheit nicht war. Alle
Möglichkeiten zur Verbesserung des Ergebnisses, egal ob sie von meiner Fraktion oder von
anderen ins Spiel gebracht wurden, scheiterten.
In diesem Jahr zeigen die roten Pfeile in den Haushaltsstatistiken des Kämmerers noch
einmal weiter nach oben, die schwarzen nach unten. Im vergangenen Jahr klang die
Inkaufnahme des massiven Defizits durch die Ratsmehrheit zumindest noch nach einer
bewussten, trotzigen Provokation. In diesem Jahr scheint sie einem weit reichenden
Fatalismus gewichen zu sein. Anders lässt sich die aufgeregte Debatte im Haupt- und
Finanzausschuss kaum noch erklären.
In den letzten Etatberatungen vor der Kommunalwahl soll noch einmal der Eindruck erweckt
werden, dass - egal wie auch immer die Großwetterlage aussieht - für alle realen und
vermeintlichen Interessen in dieser Stadt ausreichend Geld zur Verteilung ansteht. Dabei
wird die Komplexität des Zahlenwerks Städtischer Haushalt geschickt
eingesetzt, um den Gladbecker Bürgerinnen und Bürgern Sand in die Augen zu streuen. Dies
will ich im folgenden belegen.
Nachdem während der Beratung des Haupt- und Finanzausschusses in der vergangenen Woche
zehn Stunden lang Beschluss für Beschluss durch die Mehrheit Kürzungen im
Verwaltungsentwurf zurückgenommen und neue Ausgaben in Angriff genommen wurden, durfte
die Kämmerei am Ende verkünden, dass es gelungen sei, den Fehlbedarf in 2004 um fast 1,7
Millionen Euro zu senken. Wahrlich, ein Wunder von nahezu biblischem Ausmaß!
Schamhaft wurde natürlich verschwiegen, dass allein durch erhöhte Einnahmeerwartung der
Verwaltung bei den Schlüsselzuweisungen und der Einkommensteuer das Ergebnis um über 2,7
Millionen Euro verbessert wurde. Anstatt aber - wie es vernünftig gewesen wäre - diesen
Geldsegen zu einer Verminderung des Fehlbetrags einzusetzen, kam er Ihnen gerade recht, um
weitere Ausgaben aus dem umfangreichen Wunschkonzert der großen Fraktionen zu
etatisieren.
Entlarvend waren auch die ständigen Wasserstandsmeldungen im Laufe der Beratungen, wie
viel Spielraum denn für neue Ausgaben vorhanden sei. Der Kämmerer hat dies sehr präzise
auf den Punkt gebracht: Anstatt sich zu bemühen, möglichst den Abstand zu den schwarzen
Zahlen zu verringern, waren die Beratungen der großen Fraktionen von der Frage geprägt,
wie viel Spielraum denn der Dispositionskredit noch biete, bevor die eingereichten Schecks
bei der Bank - sprich der Finanzaufsicht - platzen. Ein solcher Umgang mit öffentlichen
Geldern hat mit Seriosität nicht einmal mehr entfernt etwas zu tun!
Dankenswerterweise hat die Verwaltung meinem Wunsch entsprochen und stellt in ihrer
Vorlage für die heutige Sitzung die Ergebnisse der Etatberatungen differenziert dar.
Dieses Abschlussbild sagt präzise aus, dass der Fehlbedarf im Etat 2004 per Saldo
- durch die Änderungsvorschläge der
Verwaltung um fast 1,9 Millionen gesenkt,

- durch die Änderungen der Fraktionen
jedoch wieder um über 280.000 Euro erhöht
worden ist.
Als sei dies nicht schlimm genug, haben die großen Fraktionen weitere kostspielige
Großtaten im Haushalt untergebracht. Hierzu haben sie das Mittel der
Verpflichtungsermächtigungen missbraucht. Sinn und Zweck einer
Verpflichtungsermächtigung ist eigentlich sicherzustellen, dass für einmal begonnene
mehrjährige Maßnahmen, z.B. Straßenbauprojekte, auch in den Folgejahren ausreichende
Mittel zur Verfügung gestellt werden. Sie aber setzen ohne mit der Wimper zu zucken
Verpflichtungsermächtigung als Mittel zur Selbstvergewisserung ein und geben damit dem
künftigen Rat eine schwere Hypothek mit auf den Weg. Betrug die Höhe der
Verpflichtungsermächtigungen im Entwurf der Verwaltung (1. Änderungsverzeichnis) bereits
rund 3,6 Millionen Euro, so haben sie weitere 2,7 Millionen draufgesattelt.
Der Teil der Mitglieder dieses Hauses, der im Herbst 2004 ausscheidet, wird sich also
gemütlich in die Zuschauerreihen setzen können und zusehen, wie unter vermutlich kaum
besseren Rahmenbedingungen seine Nachfolger im künftigen Rat nächstes Jahr hier ihre
ungedeckten Schecks abarbeiten. Wir beteiligen uns an dieser Art Haushaltspolitik nicht.
Wir werden unsere Absichtserklärungen für die Kommunalpolitik der nächsten Jahre in
unser Wahlprogramm schreiben und nicht in den städtischen Etat.
Trotz fast 10 Millionen Euro neuer Kredite, trotz eines Fehlbedarfs von 16,6 Millionen
Euro gibt es keine Bereitschaft Ihrerseits heilige Kühe zu schlachten. Während wir
finanzpolitisch seit einem Jahr weitgehend handlungsunfähig sind, sitzen Sie weiterhin
auf Ihrem so genannten Tafelsilber. Im letzten Jahr warfen Sie uns vor, man
könne sich doch angesichts der aktuell niedrigen Erlöserwartungen jetzt nicht von
Aktienbesitz trennen. Ich hoffe, dass man im Rathaus die Kursentwicklungen genau im Auge
behält. Wenn das so ist, dann ist Ihnen auch bekannt, dass die Tendenz weiter nach unten
zeigt. Irgendwann werden Sie diese Aktien als Schmierpapier in der Verwaltung verteilen,
weil es billiger ist als neu gekauftes.
Mit einem weiteren Konsolidierungsansatz ist die Verwaltung in diesem Jahr an den großen
Fraktionen gescheitert. Der Verkauf großer Anteile an der GWG hätte eine
außerordentliche Tilgung von Altschulden in Höhe von 10 Millionen Euro bedeuten können.
So wichtig ein städtischer Wohnungsbaukonzern in den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg
für die Sicherstellung ausreichenden und bezahlbaren Wohnraums war, so überflüssig ist
ein kommunales Engagement in diesem Sektor im Jahre 2004. Wir haben seit Jahren konstant
einen sogenannten Mietermarkt im Wohnungsbereich. Wer eine Wohnung in unserer
Stadt mieten will, hat die Qual der Wahl und beste Chancen, mit potenziellen Vermietern zu
feilschen und günstige Mietpreise zu erzielen. Das Angebot übersteigt bei weitem den
Bedarf, was auch an verändertem Wohnverhalten mit starker Ausweitung des Eigenheim- und
Eigentumswohnungssektors liegt.
Nachdem die SPD bei der ersten Beratung im HFA bereits unverhohlen angekündigt hat, dass
sie bei einem beabsichtigten Verkauf von GWG-Anteilen kräftig Stimmung machen und Unruhe
unter der Mieterschaft erzeugen würde, hat die CDU offenbar Angst vor der eigenen Courage
bekommen und ihren Bürgermeister im Regen stehen lassen. Dabei hat noch niemand plausibel
machen können, was an einem Mietverhältnis mit der GWG so grundsätzlich anders ist als
dem mit einem anderen großen Wohnungskonzern. Für alle gelten die gleichen gesetzlichen
Bestimmungen und alle haben sich daran zu halten. Aber gegen sozialdemokratische
Kommunalpolitiker, die in grellen Farben die schreckliche Zukunft der GWG-Mieter an die
Wand malen, ist wohl mit Sachargumenten kaum anzukommen, und die CDU hat davor
kapituliert.
Etatberatungen als Wunschkonzert, Verweigerung von Konsolidierung, Schulden machen bis zur
absoluten Grenze: Sie werden sich nicht wundern, dass wir diesem Haushalt unsere
Zustimmung verweigern.
Aber wir geben keinesfalls auf. Wir werden auch in 2004 viele Anstöße geben, die eine
Verbesserung der finanziellen Situation zum Ziel haben. Wir werden mit Ihnen über die
Frage diskutieren, ob ein zentrales kommunales Immobilienmanagement nicht besser und
kostengünstiger die städtischen Gebäude warten und verwalten kann als jedes Amt für
sich. Ob sich dadurch unerwartete Sanierungsfälle wie beim Übergangsheim an der
Frentroper Straße oder beim Kindergarten in Gladbeck Ost nicht frühzeitiger erkennen und
beheben lassen. Wir werden mit Ihnen darüber reden, ob wir nicht ein permanentes Gremium
aus Rat und Verwaltung mit der Suche nach Wegen aus der Finanzmisere beauftragen sollen.
Lassen Sie mich abschließend noch ein paar Worte zur Entscheidung des
Wirtschaftsförderungs- und Grundstücksausschusses von heute morgen sagen: Nach
Würdigung aller wirtschaftspolitischen, ökologischen und finanziellen Fakten halten wir
das Festhalten am geplanten Gewerbegebiet Hegestraße für falsch. Hier werden vor dem
Hintergrund einer völlig spekulativen Einnahmeerwartung aus Grundstücksverkäufen von
2,5 Millionen Euro zunächst - ohne Einberechnung der Zinslasten - 5 Millionen Euro
öffentliche Mittel in den Sumpf gesetzt. Den Menschen in unserer Stadt ist es relativ
wurscht, ob es sich um Mittel des Landes, des Kreises oder der Stadt handelt: Letztlich
entstammen diese Gelder allesamt ihren Brieftaschen. Wir brauchen eine einheitliche
Planungsinstanz für das Ruhrgebiet, und nicht etwa einen ruinösen interkommunalen
Wettbewerb, der dazu zwingt, noch die letzte Feuchtwiese in einer dicht besiedelten Stadt
wie Gladbeck in ein Gewerbegebiet umzuwandeln. Und der Eiertanz der SPD hat zwar letztlich
nichts geändert, aber zeigte zumindest, dass auch in anderen Fraktionen diese Erwägungen
Raum finden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! .
Eckdaten des
Haushalts 2004
Änderungsvorschläge von Bündnis 90 / DIE
GRÜNEN vom 01. Dezember 2003
Pressemitteilung vom 01.12.2003: "GRÜNE
forden mutige Reformen"
Haushaltsinformationen
2003

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