18. Januar 2006 |
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Schreiben an Herrn Bürgermeister Ulrich Roland
Integrierter
Gesamtverkehrsplan Nordrhein-Westfalen (IGVP) Bewertung von für Gladbeck relevante
Schienen-Vorhaben |
Sehr geehrter Herr
Roland,
mit dem Integrierten Gesamtverkehrsplan Nordrhein-Westfalen (IGVP) liegen seit Dezember
die Bewertungsergebnisse für Straßen- und Schienenmaßnahmen vor.
Ziel der Landesregierung ist es, auf Basis der Bewertungsergebnisse zu Bedarfsplänen zu
kommen, die auf der Grundlage der bis 2015 voraussichtlich zur Verfügung stehenden
Haushaltsmittel aufbauen und damit den Bedarfsplanvorhaben eine realistische Chance zur
Umsetzung einräumen.
Einen Entwurf der Bedarfspläne, in denen die bewerteten Maßnahmen priorisiert werden,
hat das Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalens (MBV NRW)
vorgelegt. Der Verkehrsausschuss des Regionalrates Münster wird am 23. Januar über die
Priorisierung der Vorhaben beraten und der Regionalrat in seiner Sitzung am 31. Januar
hierüber entscheiden.
In diesem Zusammenhang möchte ich insbesondere auf drei Schienen-Vorhaben hinweisen,
deren Priorisierung für unsere Stadt von Bedeutung ist:
Beseitigung des
Kapazitätsengpasses zwischen Bottrop Hbf. und Essen-Dellwig Ost (Maßnahmennr. 13004)
bzw. Aktivierung der Hamm-Osterfeld-Bahn (Maßnahmennr. 15021),
Beseitigung des
Kapazitätsengpasses zwischen Bottrop Hbf. und Oberhausen Hbf. (Maßnahmennr. 13005).
Nach Vorstellung des
MBV NRW sollen alle drei Maßnahmen zukünftig keine Berücksichtigung mehr in den
Bedarfsplänen finden.
Nach Ansicht von Bündnis 90 / DIE GRÜNEN ist dies völlig indiskutabel, da hierdurch
Verbesserungen in der Bedienung und Anbindung unseres Ballungsrandraumes mit dem
Schienenverkehr sowie die Umsetzung des Zielnetzes 2015 des VRR für die
Zukunft ausgeschlossen werden. Damit gelangt die strukturschwache Emscher-Lippe-Region ein
weiteres Mal ins Hintertreffen.
Auch die Bezirksregierung Münster findet in ihrer Vorlage für den Regionalrat erfreulich
deutliche Worte, indem sie feststellt, dass aus Sicht der Bezirksregierung
Münster [..] dieses Vorgehen eine deutliche Benachteiligung der hiesigen Regionen
(Münsterland, aber auch Emscher-Lippe-Raum) gegenüber anderen Landesteilen
darstellt. Für die Teilregionen Münsterland und Emscher-Lippe-Raum würde
diese regionale Ausblendung eine Abkoppelung von der Weiterentwicklung des
landesweiten SPNV-Angebotes für die nächsten 10 Jahre bedeuten. Ein solcher
Stagnationsprozess ist aus regionaler Sicht nicht hinnehmbar [...]. Auch die
Bezirksregierung fordert daher eine Nachbesserung bei der Bedarfsplanung und eine
stärkere Berücksichtigung unserer regionalen Belange.
Die angesprochenen Schienen-Vorhaben Nr. 13004 und 15021 haben beide zum Ziel, den
Kapazitätsengpass zwischen Bottrop Hbf. und Essen-Dellwig Ost zu beseitigen. Hierzu ist
ein etwa 3,3 km langer, zweigleisiger Ausbau der in diesem Abschnitt lediglich eingleisig
vorhandenen Strecke geplant.
Während sich das Vorhaben Nr. 13004 ausschließlich auf die Beseitigung der Engstelle
konzentriert, geht das Vorhaben Nr. 15021 darüber hinaus und verknüpft die Maßnahme
mit der Aktivierung der Hamm-Osterfeld-Güterstrecke, um eine Bahn-Verbindung zwischen
Recklinghausen und Essen herzustellen. Mit dieser neuen Eisenbahnverbindung würden wir
über die Schiene direkt an die Kreisstadt angebunden; die Stadt Herten erhielte wieder
eine Anbindung an das Schienennetz. Die Maßnahmen Nr. 13004 und 15021 verstehen sich
damit als alternative Maßnahmen.
Der Ausschuss für Verkehrsfragen und -entwicklung des Kreises Recklinghausen hatte sich
unter Beteiligung der Stadt Gladbeck in den Jahren 1999 und 2000 mehrfach mit der
Hamm-Osterfeld-Bahn beschäftigt. Durch Kreis und VRR wurden hierzu fahrplantechnische
Machbarkeitsstudien bei der Deutschen Bahn AG und dem Kommunalverband Ruhrgebiet
(inzwischen Regionalverband) in Auftrag gegeben.
Der KVR sprach sich in seiner Studie deutlich für die Aktivierung der Güterstrecke als
Verbindung für den Personenverkehr zwischen Essen Hbf. und Recklinghausen Hbf. aus. Laut
Studie könne die Verbindung die Reisezeiten mit dem ÖPNV streckenweise halbieren und
stelle zu Stoßzeiten sogar eine konkurrenzlose Alternative zur Straße dar.
Während die IGVP-Bewertung lediglich von einem Fahrgastpotenzial von 3.600
Personenfahrten ausgeht, prognostizierte der KVR das Fahrgastaufkommen mit über 5.300
Personenfahrten. Auch bei den unterstellten Investitionskosten gibt es Diskrepanzen
zwischen der IGVP-Analyse und den vom Kreis Recklinghausen beauftragten Studien. Auf
weitere Plausibilitätsfehler und Widersprüchlichkeiten bei der IGVP-Bewertung von
Schienenmaßnahmen hat der Fahrgastverband Pro Bahn hingewiesen. So sei es beispielsweise
völlig unverständlich, dass das Vorhaben durch die Wiederaufnahme des Personenverkehrs
auf bestehenden Güterstrecken negative Nutzwertpunkte für Zerschneidungswirkungen oder
Flächenverbrauch erhielten, obwohl überhaupt kein Ausbau der ohnehin betriebenen Trassen
geplant sei.
Die Bezirksregierung kritisiert zudem, dass alle SPNV-Schienenvorhaben aus dem
Regierungsbezirk Münster, die Angebotsausweitungen oder Neuverbindungen beinhalten, nicht
in den Entwurf des Bedarfsplans aufgenommen. Begründet werde dies mit der Ankündigung
des Bundes, die Bundesregionalisierungsmittel, die zur Finanzierung von
SPNV-Betriebsleistungen (Förderung der SPNV-Zweckverbände gem. §11 ÖPNVG NRW) dienen,
in den kommenden Jahren drastisch zu kürzen. Daher sollen nach Ansicht des Landes nur
solche Schienenvorhaben in dem Bedarfsplanentwurf aufgenommen werden, für die keine
zusätzlichen Betriebsleistungsmittel benötigt werden. Völlig zurecht weist die
Bezirksregierung aber darauf hin, dass gerade der VRR durch Ausschreibung von Teilnetzen
und durch Schaffung von Wettbewerb auf der Schiene, Einsparungen erzielt, die für
zusätzliche Betriebsleistungen genutzt werden könne. Diese Entscheidung obliege den
Zweckverbänden und nicht dem Land.
Dessen ungeachtet erscheint die Beseitigung des Kapazitätsengpasses zwischen Bottrop Hbf.
und Essen-Dellwig Ost schon im heutigen Betrieb zwingend erforderlich, um eine
fahrplansichere Bedienung der Strecke zu garantieren. Auf Grund der eingleisigen
Führung auf dem Abschnitt ist sowohl der RE 14 (Borken - Dorsten - Essen) als auch die S9
(Haltern - Essen) äußerst verspätungsanfällig. In den vergangenen Jahren hat dies
berechtigterweise wiederholt zu Beschwerden von Fahrgästen geführt. Störungen im
Betrieb können auf Grund des Engpasses nicht zeitnah aufgefangen werden und schaukeln
sich im Tagesverlauf auf.
Auch die mit dem Zielnetz 2015 verfolgten Planungen des VRR lassen sich ohne
die Beseitigung der Engstelle nicht realisieren. Zur Angebotsverdichtung sieht das
Zielnetz vor, die Züge zwischen Borken und Coesfeld im Norden und Essen und Oberhausen im
Süden zu flügeln und zu koppeln. Obwohl diese Angebotsänderungen durch den VRR geplant
sind, scheinen Sie in ihrer Wirkung keine entsprechende Berücksichtigung in der
IGVP-Bewertung der Vorhaben gefunden zu haben.
Angebotsausweitungen werden mit Aufgabe der Schienen-Vorhaben im bestehenden Schienennetz
damit zukünftig ausgeschlossen sein. Das betrifft auch den Streckenabschnitt zwischen
Bottrop Hbf. und Oberhausen. Auch hier sollen mit dem Vorhaben Nr. 13005
Kapazitätsengpässe beseitigt werden, die eine Umsetzung des Zielnetzes 2015 bisher
behindern.
Vor diesem Hintergrund halte ich es für erforderlich, dass die Stadt Gladbeck und der
Kreis Recklinghausen den Vorschlag des MBV NRW für die Schienen-Bedarfsplanung nicht
kritiklos akzeptieren und - genau wie die Bezirksregierung Münster - eine Neubewertung
der Vorhaben unter Berücksichtigung des Entwicklungsbedarfs unseres strukturschwachen
Raums einfordern. Bündnispartner in dieser Angelegenheit finden sich sicherlich in der
Stadt Bottrop, den Kreisen Borken und Coesfeld und den übrigen Städten, deren
SPNV-Angebote von der IGVP-Einstufung betroffen sind.
Nicht zuletzt hatten das Land Nordrhein-Westfalen und die Deutsche Bahn bereits mit dem
Ausführungsvertrag Nr. 3 zum Ausbau der S-Bahn-Linie 9 vom 8. Juli 1993 ihre Absicht
bekräftigt, den Ausbau der Strecke zwischen Essen-Dellwig Ost und Gladbeck West zu
forcieren (§ 1 Abs. 2 des Vertrages). An diese vertragliche Zusage ist das Land im Rahmen
der Fortschreibung der Bedarfspläne zu erinnern.
In ihrer Vorlage für den Regionalrat stellt die Bezirksregierung Münster einen
modifizierten Vorschlag für den Verkehrsinfrastrukturbedarfsplan zur Diskussion. Darin
stuft sie die Hertener Bahn zwischen Essen Hbf. und Recklinghausen Hbf. auf Platz 5 in die
Gruppe wichtiger Vorhaben ein. In Abstimmung mit dem VRR habe man den Ausbau der S4
zwischen Lütgendortmund und Wanne-Eickel Hbf höher priorisiert und diese Maßnahme als
einziges Projekt aus dem Emscher-Lippe-Raum in die Gruppe der sehr wichtigen Vorhaben
eingestuft, für die eine Aufnahme in den Verkehrinfrastrukturbedarfsplan eingefordert und
planerisch forciert werden soll. Der Ausbau der S4 hätte auch zur Folge, dass die RB43
ihren umstiegsfreien Anschluss an das Oberzentrum Dortmund verlöre und damit weiter an
Attraktivität einbüßen müsste. Im Interesse unserer Stadt und des Kreises würde ich
mich daher freuen, wenn Sie sich bereits im Vorfeld der Beratungen im Regionalrat in
Abstimmung mit Ihren Kolleginnen und Kollegen in den betroffenen Städten und Kreisen für
eine höhere Bewertung des Vorhaben Nr. 15021 einsetzen würden und damit eine
Realisierung bis 2015 zu ermöglichten.
Die Projektdossiers der drei Vorhaben habe ich Ihnen zur Information beigefügt. Für Ihre
Mühen und Ihren Einsatz bedanke ich mich bereits jetzt recht herzlich und verbleibe mit
freundlichen Grüßen
Mit freundlichen Grüßen
Mario Herrmann
Fraktionsvorsitzender |
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Links zu diesem Thema:
Informationsseite zum IGVP
Mitteilung vom 18.01.2006: Keine
Verbesserung für Schienenverkehre in Sicht
Maßnahmen-Dossiers Nr. 13004; Ausbau
zwischen Bottrop Hbf u. Essen Dellwig (1,1 MB)
Maßnahmen-Dossiers Nr. 13005; Ausbau
zwischen Bottrop Hbf u. Oberhausen (1,0 MB)
Maßnahmen-Dossiers Nr. 15021; Aktivierung
der Hertener Bahn (1,1 MB)
Vorlage und Prioritätenreihung für die
Sitzung des Regionalrates am 31.01.2006 (985 KB)



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