14. Dezember 2006 |
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GRÜNE stimmen "Sparhaushalt" zu |
Am 14. Dezember
beriet der Rat über den Haushaltsentwurf 2007. Die Grünen stimmten dem Entwurf zu. Mario
Herrmann, Vorsitzender der Ratsfraktion, begründete dies in seiner Rede wie folgt:
Herr Bürgermeister,
meine Damen und Herren,
zu Anfang dieser Woche hat der Regionalverband Ruhr seinen jährlich erscheinenden
Kommunalfinanzbericht veröffentlicht. Die Autoren kommen darin zu dem Schluss, dass es
durchaus eine gewisse Hoffnung für die Gemeindefinanzen gibt. Die positive konjunkturelle
Entwicklung werde ihre Auswirkungen auch hier zeigen. Die jahrelangen Bemühungen um einen
Strukturwandel im Ruhrgebiet sollen nach Aussage der Experten endlich Früchte tragen und
gerade unsere Region zum Motor der Entwicklung in NRW machen. Vor diesem Hintergrund geht
es unseres Erachtens auch in Ordnung, dass der Haupt- und Finanzausschuss dem Wunsch der
SPD nach einer höheren Einnahmeerwartung bei der Gewerbesteuer entsprochen hat.
Wer jedoch meint, dass er sich nun getrost zurücklehnen und "business as usual"
betreiben könne, begeht einen fatalen Fehler. Denn die positiven Aussagen sind nur ein
Teil der Botschaft. Der andere Teil lautet: Innerhalb von nur sechs Jahren sind die
Schulden der kommunalen Ebene an Rhein und Ruhr um die gigantische Zahl von 60 Prozent
angestiegen. Auch bei positivster Entwicklung und damit verbundenen Steuermehreinnahmen
bei gleichzeitigen Minderausgaben im Sozialbereich wird eine wirtschaftliche Erholung
allein unsere Finanzprobleme nicht lösen.
Die gebetsmühlenartige Forderung von uns Kommunalos nach einer Gemeindefinanzreform, die
am Ende tatsächlich zu einer strukturellen Verbesserung im Sinne der kommunalen Haushalte
führt, bleibt genauso richtig wie sie ein frommer Wunsch bleibt. Das wird mit einer
schwarz-roten Bundesregierung genau so bleiben wie mit jeglicher anderen Farbkonstellation
zuvor. Wir sollten uns da keinen Illusionen hingeben.
Im Gegenteil: Die dreiste Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozent wird dazu führen,
dass Investitionen auch in Gladbeck teurer werden. Wir wissen vom Kreis, dass allein die
Neubaumaßnahmen am Gladbecker Berufskolleg durch die Mehrwertsteuererhöhung um 120.000
Euro teurer werden. Ich möchte von dieser Stelle aus die Verwaltung, insbesondere die
Kämmerei, bitten, uns zur nächsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses doch einmal
eine überschlägige Aufstellung zu präsentieren, welche zusätzlichen Kosten uns bei den
für 2007 geplanten Anschaffungen und Baumaßnahmen durch diese Erhöhung belasten.
Professor Junkernheinrich von der Universität Münster, der den erwähnten
Kommunalfinanzbericht verfasst hat, sieht dann auch nur eine Möglichkeit, nachhaltige
Verbesserungen der kommunalen Finanzen zu erreichen. Ich zitiere ihn: "Nur durch
interkommunale Kooperationen können Einspareffekte ohne Qualitätsverlust in der
kommunalen Angebotspalette erzielt werden." Einige Gemeinden seien so verschuldet,
dass sie ohne diese Kooperationen in hundert Jahren noch nicht schuldenfrei sein werden.
Präzisierend forderte er von Städten und Gemeinden vor allem kulturelle Einrichtungen,
Bäder, aber auch soziale Angebote über kommunale Grenzen hinweg zu organisieren.
Durch diese klare Ansage fühlen wir Grüne uns in unseren zahlreichen diesbezüglichen
Vorstößen bestätigt. Mit der Zusammenlegung der Gutachterausschüsse aus drei Städten
des Kreises wurde in diesem Jahr ein kleiner Schritt in die richtige Richtung bereits
unternommen. Wir begrüßen dies sehr.
Allerdings sind die Potenziale zur Zusammenarbeit weiterhin hoch. Über dreißig
Aufgabenfelder, in denen ohne jede negative Auswirkung auf Bürgernähe interkommunale
Kooperation wünschenswert ist, werden zurzeit unter Moderation des Kreises zwischen den
Städten ausgelotet. Wir hoffen sehr, dass der Gladbecker Bürgermeister hier eine
treibende Rolle einnimmt und sich von Störfeuer aus den eigenen Reihen nicht den Schneid
abkaufen lässt.
Die reflexhafte und irrationale Art und Weise, in der Teile des Rates auf solche
Bestrebungen reagieren, schadet den Interessen Gladbecks. Es ist schlicht nicht
nachvollziehbar, weshalb einige glauben, dass ausgerechnet unsere im Vergleich der
benachbarten Ruhrgebietsstädte eher kleine Gebietskörperschaft das Rad immer neu
erfinden muss. Daher ist es wenig hilfreich, wenn man beim leisesten Hinweis auf die
Sparpotenziale interkommunaler Zusammenarbeit etwa vom Kollegen vorm Walde mit dem
Holzhammer als quasi "vaterlandsloser Geselle" abqualifiziert wird.
Unser Ziel muss es sein, Verwaltungsbereiche mit hohem Publikumsverkehr und direktem
Bürgerkontakt vor Ort zu sichern. Insbesondere meint dies Einrichtungen der Schul- und
Jugendarbeit und der sozialen Daseinsvorsorge.
Man mag sich trefflich darüber streiten, ob auch die Anmeldestelle für Kraftfahrzeuge
hierzu zu zählen ist. Sicherlich wäre es angenehmer, hierzu nicht bis nach Marl fahren
zu müssen. Aber wie oft meldet der durchschnittliche Gladbecker ein neues Auto an? Das
ist wahrlich nicht das größte Problem unserer Stadt. Außerdem ist zu berücksichtigen,
dass sich hier zwischenzeitlich eine Dienstleistungsnische aufgetan hat, in der Menschen
einen Job gefunden haben, indem sie Anderen diese Anmeldeprozedur abnehmen. Eine
Rückverlagerung der Zulassungsstelle nach Gladbeck würde hier Arbeitsplätze kosten.
Dennoch: Auch wir Grüne sperren uns nicht dagegen, wenn diese Rückverlagerung ohne
Mehraufwendungen und räumlich wie personell darstellbar ist. Warum allerdings SPD und CDU
hierzu 50.000 Euro in den Etat eingestellt haben, bleibt deren Geheimnis. Fragen
meinerseits, wozu diese hohe Summe erforderlich sei, blieben im HFA unbeantwortet.
Offenbar ist dies ein Ausfluss des alt bekannten Spielchens, dass eine politische
Forderung erst dann wirklich sichtbar wird, wenn sie mit der Nummer einer Haushaltsstelle
versehen ist. Diese Vorgehensweise ist aber offensichtlicher Unfug. Gespräche mit dem
Kreis und interne Planungen kann die Verwaltung auch ohne die Bindung von Haushaltsmitteln
durchführen. Es bleibt aus unserer Sicht die Hoffnung, dass wir - wie so oft bei
derartigen sachlich nicht begründbaren Etatisierungen - das Geld am Jahresende als
Haushaltsrest wieder sehen. Einen solchen Hokuspokus kann man sich besser jedoch gleich
sparen!
Der auch in diesem Rat gern erhobene Finger in Richtung anderer politischer Ebenen, diese
mögen doch verstärkte Sparbemühungen ergreifen ist genauso richtig wie er nicht von der
eigenen Verpflichtung zur Aufgabenkritik und Effizienzprüfung entbindet. Wir begrüßen,
dass sich der Kreis mit seinem Etatbeschluss am kommenden Montag wohl erstmalig selbst in
die strengen Anforderungen der Haushaltssicherung begibt. In Zukunft muss er genau das
auch tun, was er seinen zehn Städten schon lange zumutet, nämlich jede neue freiwillige
Ausgabe durch Dritte prüfen lassen anstatt sich wie bisher auf Kosten des Endes der
Nahrungskette, der Kommunen, schadlos zu halten.
Für die Außenwahrnehmung und auch für die wirtschaftliche Entwicklung werden im
geeinten Europa Regionen anderer Größenordnung als Stadt oder Kreis an Bedeutung
gewinnen. Als Teil des Ruhrgebiets muss Gladbeck daher künftig seinen Platz finden. Die
Bedeutung regionaler Ereignisse und Institutionen nimmt zu; wie das Kulturhauptstadtjahr
2010, wie die Entstehung des Emscher-Landschaftspark mit dem Umbau des Emschersystems, der
auch bei uns zurzeit durch entsprechende Baustellen sichtbar ist, oder wie ein künftiger
gemeinsamer regionalen Auftritt als Wirtschaftsstandort, an dem es zu investieren lohnt.
Auch Gladbeck wird hieran partizipieren: An den Erfolgen ebenso wie an den Kosten. Aber
eine andere Chance haben wir nicht. Unsere geographische Lage zwischen den Großstädten
Gelsenkirchen, Bottrop und Essen können wir nicht verändern und müssen das beste daraus
machen.
Ich will es mir und Ihnen an dieser Stelle ersparen, die Vielzahl an Einzeldiskussionen,
die wir intensiv letzte Woche im HFA geführt haben, zu wiederholen. In der
Gesamtbetrachtung lässt sich feststellen: Der Ausgabenrausch, in den der Haupt- und
Finanzausschuss bei den Beratungen Ende 2005 verfallen war, hat sich nicht wiederholt.
Sicher: Auf einige Etatisierungen hätte man getrost verzichten können, wie eben bereits
am Beispiel der KFZ-Zulassungsstelle beschrieben. Insgesamt ist der Warnschuss des
gescheiterten Etats aus dem letzten Jahr aber angekommen:
Ohne diesen
Warnschuss hätten sich SPD und BIG sicher nicht weitgehend bei zusätzlichen
Ausgabenansätzen im Zaum gehalten.
Ohne ihn hätte der
SPD-Fraktionsvorsitzende wohl auch in diesem Jahr nicht im Vorfeld das Gespräch mit den
anderen Fraktionen gesucht.
Ohne ihn wäre die
Bereitschaft des Bürgermeisters, die interkommunale Zusammenarbeit positiv anzugehen,
sicher nicht so ausgeprägt.
Und ohne ihn hätten
wir sicher nicht vor einigen Monaten das kleine Sparpaket bis 2010 von der
Verwaltung vorgelegt bekommen.
Daher werden Bündnis
90 / Die Grünen dem Etat 2007 trotz einiger Bedenken im Detail mittragen. Wir verbinden
dies mit der dringenden Erwartung, dass wir auch im kommenden Jahr nach Konsolidierungs-
und Einsparpotenzialen suchen und uns weiterhin im Rahmen interfraktioneller Gespräche
hierzu austauschen.
Vielen Dank!

Links zu diesem Thema:
Haushaltsrede zum Etat 2006

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