15. Dezember 2005 |
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Etat 2006
GRÜNE Stellungnahmen
zur Haushaltsplanung |
Am 15. Dezember beriet der
Rat der Stadt Gladbeck den Haushalt des Jahres 2006. Nachfolgend geben wir die
Haushaltsrede unseres Fraktionsvorsitzenden Mario Herrmann wieder. Es gilt das gesprochene
Wort.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nichts geht mehr
- Aber wie lange noch? - lautet die Überschrift des letzten Kommunalfinanzberichts
des Regionalverbands Ruhr und könnte damit auch ein ironischer Titel unserer
diesjährigen Etatberatungen sein. Stell dir vor, du hast keinen genehmigten Etat
und niemand merkt es! könnte man ebenfalls sagen. Genau das traf nämlich bislang
für die Stadt Gladbeck zu. Trotz wachsenden Defizits, trotz einer
Konsolidierungsperspektive, die eher im Reich der Fantasie als in einem wirklich
überschaubaren Zeitrahmen anzusiedeln ist, waren die Auswirkungen der Genehmigungspflicht
jeder einzelnen Maßnahme bisher nur in Ausnahmefällen spürbar.
Das muss und wird aber sicherlich nicht so bleiben. Nur unbeirrbare Optimisten - man kann
sie auch Träumer nennen - können wirklich daran glauben, dass von einer schwarz-roten
Bundesregierung mehr für die Städte und Gemeinden zu erwarten ist als von den
vorhergehenden rot-grünen bzw. schwarz-gelben Regierungen. Viel wahrscheinlicher ist,
dass sich die Rahmenbedingungen nicht wesentlich ändern, aber die bisherige großzügige
Genehmigungspraxis bei städtischen Ausgaben auf den Prüfstand kommen wird. Erst dann
werden wir auch in Gladbeck wirklich erfahren, was die Bedingungen eines nicht genehmigten
Etats bedeuten können.
Zu Recht verlangen die Bürgermeister und Kämmerer der Städte vom Kreis verstärkte
Anstrengungen beim Sparen. Das ist auch dort angekommen und wird wohl die Unterwerfung
unter ein freiwilliges Haushaltssicherungskonzept nach sich ziehen. Dauerhaft wirksame
Einsparpotenziale sind auch dort ohne Frage vorhanden. Allerdings werden die Gladbecker
Kreistagsmitglieder - ab Januar immerhin stolze zehn in allen Fraktionen - auch darauf
achten müssen, dass wir uns nicht ins eigene Fleisch schneiden: Der auf den Weg gebrachte
Neubau am Gladbecker Berufskolleg ist viel zu notwendig und wird schon viel zu lange
versprochen, als dass wir uns hier erneute Verzögerungen leisten könnten. Das würde
auch nicht in die allgemein getragene Linie der Stadt passen, wonach Investitionen in die
Ausbildung auch angesichts klammer Kassen unverzichtbar sind.
In einem jedoch kann der Kreis als Vorbild dienen: Eine Haushalts- und Strukturkommission
gibt es dort bereits seit längerem. Ohne Denkverbote und Tabus werden dort ruhig und
sachlich unter Beteiligung von Politik und Verwaltung alle erdenklichen
Einsparmöglichkeiten diskutiert. Wir begrüßen es, dass eine derartige Runde nun auch in
Gladbeck installiert wird. Den Bürgermeister fordern wir auf, dies als Chance zu
begreifen und sich mit seiner Verwaltung aktiv zu beteiligen. Wenn Sie, Herr Roland, ihre
Skepsis nicht aufgeben und aus dem Hause nicht genug Input und Unterstützung kommt, wird
eine solche Arbeitsgruppe schnell zum unverbindlichen Kaffeekränzchen, für das niemand
seine Zeit opfern möchte!
Neben den an vielen Stellen bereits aktivierten internen Sparpotenzialen verbergen sich
weitere vor allem hinter dem Stichwort Kooperation. Es gibt keinen Grund
dafür, dass aus falsch verstandenem Lokalpatriotismus heraus jede Stadt jede Aufgabe
selbst erledigt, selbst wenn offensichtlich große Synergieeffekte durch interkommunale
Kooperation erzielbar sind.
Natürlich kennen wir alle Gladbecks Geschichte, den großen Einsatz der Bürger für
kommunale Selbstständigkeit. Wir haben ja gerade erst einen bedeutsamen Jahrestag
begangen. Daran wird sich auch nichts ändern. Für uns Grüne heißt die Devise jedoch:
Kooperation dort, wo sie ohne Nachteile für die Bürgerinnen und Bürger möglich
ist!
Es gibt keinen Grund, warum sich Gladbeck etwa nicht einem interkommunalen
Gutachterausschuss mit Dorsten und Marl anschließen sollte. Hier liegen klar bezifferbare
Sparpotenziale und kein Bürger wird im Alltag irgendwelche negativen Auswirkungen dadurch
erfahren. Wir bleiben auch bei unserem Ziel, die Zusammenlegung der
Rechnungsprüfungsämter des Kreises zu prüfen, auch wenn wir bisher hier im Rat auf
taube Ohren gestoßen sind. Diese Diskussionen finden zurzeit nicht nur in Gladbeck,
sondern in allen Kreisstädten sowie beim Kreis selbst statt. Hier liegen große
Potenziale und auch inhaltlich sind die Argumente des Bürgermeisters und der Mehrheit
wenig stichhaltig. Wir meinen im Gegenteil: Gerade bei der unbeeinflussten Prüfung von
Vorgängen in der Verwaltung, was ja die zentrale Aufgabe des RPA ist, kann eine
möglichst große Ferne vom Alltagsgeschäft nur sinnvoll sein.
Jedenfalls hilft es wenig, wenn bei Erwähnung des Wortes Kreis bei einigen
hier ein pawlowscher Reflex einsetzt, der sachlich kaum begründbar ist. Überlegungen,
ein größtenteils leer stehendes öffentliches Gebäude mitten in unserer Stadt wie das
Gesundheitsamt einer sinnvollen künftigen Nutzung zuzuführen, sind gut und richtig. Der
Hinweis des Kollegen vorm Walde aus dem Hauptausschuss, das Gebäude gehöre ja dem Kreis
und damit müsse man sich nicht beschäftigen, zeugt meines Erachtens von einer völlig
formalistischen Perspektive, die sich weigert, über den eigenen Tellerrand zu schauen.
Dass es nicht darum geht, ohne Not finanzielle Lasten des Kreises zu übernehmen, dürfte
ja wohl klar sein. Die Menschen in unserer Stadt gehören aber sowohl der Stadt Gladbeck
als auch dem Kreis an und müssen letztlich eh für beide Ebenen zahlen. Sie erwarten
praktikable Lösungen, keine klein karierten!
Meine Damen und Herren,
einmal rund um die Uhr hat der HFA vor einer Woche sehr detailliert über zahlreiche
Einzelpositionen des vorliegenden Etatentwurfs debattiert. Ich will an dieser Stelle nicht
erneut in all diese kleineren und größeren Auseinandersetzungen einsteigen. Vielmehr
möchte ich ein Fazit aus den Beratungen ziehen.
In meiner letzten Etatrede hatte ich darauf hingewiesen, dass vor allem die SPD durch die
Einbringung zahlreicher kleiner und kleinster Haushaltsstellen lediglich Geld gebunden
habe, was eigentlich nicht benötigt wird. Sie haben Sachanträge nicht in den
Gremien zur Diskussion gestellt, sondern diese auf Euroscheine geschrieben, hatte
ich Ihnen vorgehalten. Unsere Nachfragen bei den diesjährigen Beratungen haben dies
eindeutig bestätigt: Für Stadtteilforen, zur Entwicklung alternativer
Finanzierungskonzepte, für ambulantes betreutes Wohnen, für den Sozial- und
Familienbericht, zur Wohnungsmarktbeobachtung, zur Förderung des Fahrradverkehrs oder
für eine Machbarkeitsstudie zur Beleuchtung der Marathonbahn haben sie im letzten Jahr
gegen unser Votum Gelder in den Etat eingestellt. Jetzt wissen wir: Kein Cent dieser
Mittel wurde ausgegeben! Unabhängig von der Sinnhaftigkeit der jeweiligen Einzelmaßnahme
hat sich gezeigt, dass sie hier zehntausende von Euro gebunden haben, die wir an anderen
Stellen im abgelaufenen Jahr dringend benötigt hätten. Da streiten wir uns über
kleinste Mehrbedarfe und Zusatzmittel wie die Kesselflicker und sie parkten unser nicht
vorhandenes Geld an Stellen, wo es nicht benötigt wird. Wir begrüßen es, dass sie in
diesem Jahr offensichtlich einsichtiger waren und von dieser Praxis weitgehend abgerückt
sind.
Allerdings ändert dies nichts an der grundsätzlichen Tendenz der größten Fraktion, die
Bedienung von Einzelinteressen dem offensichtlichen Erfordernis nach strengster
Ausgabendisziplin unterzuordnen. Wer von uns wollte nicht mehr Geld für städtische
Sportveranstaltungen, für die Unterhaltung von Sportanlagen oder neue Medien in der
Stadtbücherei zur Verfügung stellen? Wie leicht es ist, endlos Wünschenswertes zu
fordern, wenn man sich eh nicht in der Verantwortung für die Stadt insgesamt sieht,
beweist ja die DKP ein ums andere Mal. Von der größten Fraktion dieses Hauses, die hier
auch einen Führungsanspruch erhebt, erwarten wir aber anderes. Strafverschärfend kommt
hinzu, dass ein Wahlkampf, der ja oft Anlass für populäre Mehrausgaben gilt, weit und
breit nicht in Sicht ist.
Besonders spannend waren bei Beratungen die Positionen, bei denen die CDU moderate und die
SPD weniger moderate Ausgabenerhöhungen vorsehen wollte. Hier galt dann offenbar die neue
großkoalitionäre Berlin-Rechenart, wonach der Kompromiss aus 0% und 2 %
Mehrwertsteuererhöhung am Ende 3 % sind. So werden dann schnell mal aus 13.000
vorgesehenen Euro für den Grillplatz in Wittringen als Kompromiss aus 20.000 (CDU-Wunsch)
und 25.000 (SPD-Wunsch) 32.000 Euro. Wir meinen: Diese Logik müsste eigentlich eine
Änderung der schulischen Lehrpläne für den Mathematikunterricht nach sich ziehen!
Eine Aufstockung des Familienfonds, obwohl noch hohe Restmittel vorhanden sind, mehr Geld
für die Stadionunterhaltung, obwohl von der Verwaltung gar nicht angefordert und so
weiter, und so fort: Wieso gibt sich die SPD so spendabel? Vielleicht mangelt es an
Vorbildern. Bürgermeister Roland nimmt diese Funktion jedenfalls nicht entschieden genug
wahr. Intelligente Lösungen aus dem eigenen Hause, wie man zum Beispiel durch
Verkaufserlöse anderenorts neue Spielplätze, wo sie benötigt werden, finanzieren kann,
werden von Herrn Roland nur halbherzig umgesetzt - wenn überhaupt, was noch zu beweisen
ist. Presseöffentliche Bemerkungen Ihrerseits, Herr Bürgermeister - Zitat: Es gibt
auch ein Leben nach dem § 81 - sind wenig geeignet, Haushaltsdisziplin in den
eigenen Reihen zu befördern. Hier hätten wir gern weniger einen selbsternannten
politischen Bürgermeister als vielmehr einen vorbildlich
sparsamen Bürgermeister!
Die Versuche der SPD und ihres Fraktionsvorsitzenden, durch die Heraufsetzung von
Einnahmeerwartungen den Eindruck erhöhter Sparbemühungen zu wecken, ist ein leicht
durchschaubares und rein kosmetisches Manöver. Letztlich werden Parkgebühren oder
Verwaltungsgebühren in der Höhe hereinkommen, in der sie hereinkommen. Das bleibt
Kaffeesatzleserei, und wenn die Verwaltung hier eher vorsichtig kalkuliert, ist das aller
Ehren wert.
Aber, meine Damen und Herren, letztlich sollte es dann ja doch über tatsächlich erhöhte
Einnahmen, sprich Steuererhöhungen, geregelt werden. Ich kann für meine Fraktion
eindeutig sagen: Für uns ist die Anpassung von Steuersätzen kein Dogma. Es kann gute
Gründe dafür geben, genauso wie dagegen. Solange jedoch periphere Interessen aus dem
Etat bedient werden, sehen wir es nicht ein, über eine Grundsteuererhöhung alle
Haushalte dieser Stadt zu belasten. Natürlich treibt allein die Erhöhung der Grundsteuer
niemanden in die Armut. Aber wir dürfen doch die Großwetterlage nicht übersehen: Die
Bundesregierung wird erklärtermaßen die Mehrwertsteuer um drei Prozent heraufsetzen, die
Eigenheimzulage wird gestrichen und die schwarz-gelbe Landesregierung wird uns eine
Erhöhung der Kinderbetreuungskosten bescheren. All das belastet unsere erklärte
gemeinsame Perspektive, Gladbeck als Wohnstandort für junge Familien attraktiv zu halten
und weiter auszubauen. Mit der Erhöhung der Grundsteuer legen sie dieser Stadt einen
weiteren Stein auf den Weg in die Zukunft. Unsere Nachbarstadt Dorsten, mit der wir bei
aller Freundschaft in direkter Konkurrenz um eben diese Einwohnerschaft stehen, reibt sich
angesichts niedrigerer Sätze dort vermutlich die Hände - was man gut verstehen kann!
Bündnis 90 / Die Grünen wollen eine weitere Gefährdung dieser Gladbecker
Zukunftsperspektive nicht mittragen und lehnen daher eine solche Steuererhöhung zurzeit
ab!
Meine Damen und Herren,
Gladbeck braucht für die Zukunft beides: Eiserne Sparsamkeit wo irgend möglich, bei
gleichzeitiger Sicherung und Weiterentwicklung der Infrastruktur. Daher begrüßen wir
alle Initiativen, bei denen Engagement jenseits des Rathauses zusätzlich aktiviert werden
kann. Das gilt für ehrenamtliches Engagement in Sportvereinen oder bei den Freunden der
Galerie genauso wie für Unternehmen, die in die Zukunft Gladbecks investieren. Mit Sorge
nehmen wir die anhaltende Demontage des Entwicklungsprojekts Schlachthof durch die SPD zur
Kenntnis. Hier wird schleichend durch immer neue Nadelstiche eine für die Entwicklung der
Innenstadt zentrales Projekt gefährdet. Auch anderswo, z.B. an der Bottroper Straße in
Ellinghorst, wurden Entwicklungsprojekte letztlich nicht mit, sondern trotz der SPD auf
den Weg gebracht. Hoffentlich gelingt dies auch an anderer Stelle!
Herr Bürgermeister Roland, liebe KollegInnen von der SPD,
Sie werden mit großer Wahrscheinlichkeit für den vorliegenden Haushaltsentwurf hier und
heute keine Mehrheit finden. Der Rat ist eben nicht der Hauptausschuss.
Ich will überhaupt nicht verhehlen, dass wir es durchaus begrüßen, wenn dadurch die
Verhältnisse in diesem Rat endlich einmal deutlich sichtbar werden. Was vor einem Jahr
als großspurig verkündeter Machtwechsel in diesem Haus gestartet ist,
verpufft nun einfach. Zuerst ein feierlicher Koalitionsvertrag mit der BiG, ein paar
personelle Brosamen für die ansonsten nicht weiter beachtete kommunistische Fraktion als
Gegenleistung fürs Mitstimmen bei der Besetzung von Pöstchen und Gremien - und nun ist
der Löwe Roland doch als der sprichwörtliche Bettvorleger gelandet.
Aber: Das ist für uns nicht das wichtigste. Es geht in erster Linie um Gladbeck. Wir
haben in der Vergangenheit für die Finanzen dieser Stadt Verantwortung übernommen und
wollen dies auch weiterhin tun. Dazu muss allerdings der finanzielle Ernst unserer Lage im
Etat einen Widerhall finden. Das ist zurzeit nur unzureichend der Fall.
Ich appelliere daher an Sie, heute keinen Versuch zur Etatverabschiedung zu unternehmen,
sondern die beschlossene Haushalts- und Strukturkommission einzuberufen und dort ruhig und
besonnen mit allen Fraktionen erneut über die Beratungsergebnisse aus dem HFA zu reden.
Wenn sie bereit sind, das Ruder mit uns in Richtung eines ernst gemeinten
Konsolidierungskurses umzulegen, haben sie uns auch wieder an Bord.
Vielen Dank!

Links zu diesem Thema:
Informationen
zum Haushalt 2006



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