9. Juni 2005 |
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Die Gartenstadtphilosophie weiterdenken! |
Die
Deutsche Energieagentur sucht Immobilieneigentümer, die ihre Häuser modellhaft
energetisch sanieren. Dabei sollen auch ältere Häuser den aktuellen
Niedrigenergiestandard deutlich unterschreiten. Ein anspruchsvolles Ziel, das nach Ansicht
der GRÜNEN auch für Bergarbeiterhäuser angestrebt werden könnte. Hierzu befragte
Greenplease Stadtverbandssprecher Bernd Lehmann.
Frage:
Wie viel Energie sollte ein Bergarbeiterhaus in der Braucker Gartenstadt nach Ansicht der
GRÜNEN verbrauchen?
Lehmann: Bestenfalls 30 Prozent weniger als ein vergleichbarer Neubau. Das ist ein
ehrgeiziges Ziel, das man im Rahmen der zu erwartenden Sanierungen der Gebäude anstreben
könnte. Die Erfahrungen mit den Privatisierungsmaßnahmen der Viterra in Zweckel und
Schultendorf haben gezeigt, dass viele Neueigentümer motiviert sind, den Sanierungsstau
aufzuheben und ihre Häuser auf Vordermann zu bringen. Wir würden uns wünschen, dass die
Eigentümer dann auch eine energetische Sanierung der Gebäude in Betracht ziehen.
Allein der Kauf eines Hauses stellt schon einen finanziellen Kraftakt dar.
Überfordern Sie die Bewohner der Siedlung mit Ihren Zielvorgaben nicht?
Wir wollen keine Vorgaben machen, sondern Anreize bieten und die neuen
Immobilieneigentümer über das Mögliche beraten. Für viele Investitionen in
Bestandsgebäude können Fördermittel bei den unterschiedlichsten Stellen beantragt
werden. Das aktuelle Modelprojekt Niedrigenergiehaus im Bestand gewährt
beispielsweise neben der normalen Förderung aus dem
CO2-Gebäudesanierungsprogramm zusätzlich zinsgünstige Darlehen von 50 bis
250 Euro pro Quadratmeter. Eine verbesserte Wärmedämmung zahlt sich auch durch geringere
Heizkosten aus. Über diese Möglichkeiten muss man die Bürgerinnen und Bürger aber
informieren.
Im Rat wollte Ihre Fraktion diese und andere Fördermöglichkeiten in das soeben
verabschiedete Fassadenprogramm für Brauck A integrieren und ist dabei auf wenig
Gegenliebe gestoßen. Haben Sie das falsche Programm für Ihre Ideen gewählt?
Mit dem Fassadenprogramm soll das kulturelle Erbe unserer Gartenstädte bewahrt werden.
Das Anliegen wird von uns Grünen ohne Einschränkungen unterstützt. Wir halten es aber
für zu kurz gegriffen, die Gartenstadt auf ihr architektonisches Erscheinungsbild zu
reduzieren. Die Mehrheit des Rates war überspitzt formuliert der Ansicht, dass man schon
dann dem Gartenstadtgedanken gerecht werde, wenn alle Häuser Holztüren haben,
gleichmäßig in elfenbeinweiß gestrichen und mit roten Dachpfannen gedeckt werden. Das
ist eine stark romantisierende und historisierende Betrachtung. Zentraler Grundgedanke der
Gartenstadtphilosophie waren vielmehr ein friedliches und soziales Umfeld und hygienische
Wohnverhältnisse in einer durchgrünten Stadt. Durch Nutzgärten sollten die Bewohner die
Möglichkeit haben, sich selbst zu versorgen. Wir wollen nicht einfach nur das
Erscheinungsbild der Gartenstadt vom Anfang des letzten Jahrhunderts konservieren, als
hätten sich die Lebensverhältnisse und Bedürfnisse in den dazwischen liegenden 100
Jahren nicht verändert. Unser Vorschlag war, den Gartenstadtgedanken innovativ weiter zu
entwickeln und die Philosophie auf unsere modernen Lebensverhältnisse zu übertragen.
Wie könnte also die Bergarbeitersiedlung des 21. Jahrhunderts aussehen?
Für uns waren zwei Aspekte wichtig: die Durchgrünung des Quartiers und die
Selbstversorgung der Bewohner. Heute werden die Gärten in erster Linie zur Erholung
genutzt. Die Menschen müssen Ihr Gemüse nicht mehr selber anbauen oder Ziegen und
Hühner halten. Gleichwohl benötigt jedes Haus Energie, Wärme und Wasser. Entsprechend
der ursprünglichen Tradition könnten sich die Bewohner der Siedlung ihre Autonomie
bewahren, indem sie sich mit diesen Gütern selbst versorgen und dabei gleichzeitig
sparen. Auch hier wollen wir nur Möglichkeiten aufzeigen und Perspektiven eröffnen. Wer
ohnehin sein Dach neu eindeckt, könnte mit entsprechenden Zuschüssen vielleicht auch
Solarkollektoren auf seinem Dach auslegen. Gleiches gilt für die Fassaden. Wer seinen
Hausanstrich erneuert, wird sich zuvor über die Wärmeisolierung Gedanken machen. Schön
wäre, wenn das soziale Miteinander so stark ausgeprägt wird, dass sich ein ganzes
Quertier gemeinsam über eine eigene Holzpelletanlage mit Wärme versorgt. Auch hierfür
gibt es Fördermittel von Land und Bund.
In Schultendorf konnten sich Nachbarn oft schon nicht über die Farbe des
Anstrichs einigen. Erwarten Sie wirklich, dass ein ganzes Quartier gemeinsam seine
Wärmeversorgung organisiert?
Wenn diese Überlegungen erst gar nicht angestellt werden, wird es natürlich keine
Innovation geben. Insofern bedaure ich, dass der Rat hierüber nicht diskutieren wollte.
Im Bergischen-Land hat sich eine ganze Dorfgemeinschaft entschieden, ihre Wärme mit dem
nachwachsendem, klimafreundlichen und kostengünstigen Rohstoff Holz autonom zu erzeugen.
Warum sollte Brauck hinter dem Dorf Lieberhausen zurückstehen?
Gemeinschaftliche Versorgung klingt nach Bildung von Genossenschaften. Ebenfalls
ein Konzept, dass schon bei der Phoenixstraße gescheitert ist. Warum sollte die
Zusammenarbeit diesmal besser sein?
Bei der Phoenixstraße ging es um den gemeinsamen Erwerb einer Siedlung. Uns geht es aber
nur um eine gemeinsame Philosophie, sozusagen um ein Leitbild für die moderne
Gartenstadt. Das Fassadenprogramm schaut in die Vergangenheit und macht viele Auflagen.
Wir wollen in die Zukunft schauen und Anreize bieten.
Die Stadt muss den Modernisierungsprozess natürlich begleiten und steuern. Mit dem
Stadtteilbüro Brauck haben wir die Chance, den Immobilienbesitzern eine Anlaufstelle und
kompetente Beratung direkt vor Ort zu bieten. In Schultendorf hatten diese Beratung zwei
Architekten übernommen. Warum nicht diesmal auch den Fachverstand von Energieberatern
hinzuziehen? Ein erster Schritt könnte beispielsweise eine Informationsveranstaltung
zusammen mit der Energieagentur NRW sein, mit denen die Bewohner von Brauck A über
Potenziale einer energetischen Sanierung aufgeklärt werden. Mit dem Landesprogramm
Soziale Stadt wollen wir den Stadtteil Brauck erneuern. Also warum wollen wir
nicht über das Bestehende hinaus denken und es anpacken?

Links zu diesem Thema:
Projektseite der DENA:
"Niedrigenergiehaus im Bestand"
Infopool "Förderprogramme" der
Energie-Agentur NRW
Förderinfos "Wärmeschutz im
Altbau" (pdf, 16 KB)
Gestaltungsfibel Denkmalbereich Gartenstadt
Brauck A (pdf, 12,9 MB)



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Thema! Gelegenheit zur Meinungsäußerung haben Sie in unserem Forum.
Oder treten Sie direkt persönlich mit uns in Kontakt! Ihr Ansprechpartner in dieser
Angelegenheit ist Bernd Lehmann.

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