04. Oktober 2003 |
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Die Bildung ist der Schutz der Frau |
Dass gerade eine Frau
afghanischer Herkunft ein Verfahren bis zum Bundesverfassungsgericht für das Recht, ein
Kopftuch tragen zu dürfen, geführt hat, ist schwer nach zu vollziehen. In Afghanistan
wurden und werden zum Teil immer noch Frauen durch Missbrauch und einseitige Auslegung des
Islam vom öffentlichen Leben und von der Bildung ausgeschlossen und hinter Burqas, Mauern
und Vorhängen gehalten, erklärt die Stadtverbandsprecherin der GRÜNEN, Müzeyyen
Dreessen.
Ursprünglich war die Bedeckung -
auch im Christentum - ein Zeichen dafür, dass die Frau als ehrbare und zu achtende Person
in der Öffentlichkeit erkennbar sein sollte. Die Kleidung sollte sie vor Belästigungen
schützen. In dem heiligen Buch der Muslime steht, daß die Frau ihre Reize bedecken soll.
Aber was die Reize sind, ist auch unter islamischen Gelehrten eine Auslegungssache. Auch
für den Mann gibt es Kleider- und Verhaltensvorschriften, aber leider wurden und werden
die Bereiche für die Frauen von konservativen Theologen immer noch sehr streng, fast
wortwörtlich auf heute übertragen, obwohl inzwischen anerkannte Reformtheologen eine
viel liberalere Auslegung betreiben. Der Glaube darf nicht auf ein Stück Stoff und unsere
Männer auf ihre angeblich unbeherrschbare Begierde reduziert werden. Die Gefahr wurde
sogar im heiligen Buch gesehen, so daß es an einer anderen Stelle dazu heißt: "Wir
haben Euch zwar die Kleigung gegeben, um eure Scham zu bedecken, aber der Glaube im Herzen
ist wichtiger." Es gibt keinen Zwang im Islam sich zu bedecken. Anerkannte islamische
Theologen aus der Türkei und Frankreich sagen sogar, dass die Frau für eine
qualifizierte Ausbildung oder für einen guten Beruf ihr Kopftuch ablegen sollte. Denn die
Bildung ist im Islam vorgeschrieben. Das erste Wort der Offenbarung ist, dass der Mensch
lesen soll, ob Mann oder Frau, berichtet Dreessen, die außerhalb ihrer Partei als
Muslimin auch in der Dialogarbeit aktiv ist.
In einer modernen aufgeklärten Gesellschaft, sei es in Deutschland, aber auch in der
Türkei sind Frauen heute nicht mehr in der Situation, dass sie sich in der
Öffentlichkeit durch bestimmte Kleidung schützen müssen. Der Schutz der Frau sollte
heute ihre Bildung sein. Wenn Frauen aus Glaubensgründen sich trotzdem für die Bedeckung
entscheiden, müssen sie mit den Konsequenzen leben, dass sie, wie in der Türkei oder in
Frankreich, bald auch hier in einigen Bundesländern nicht in den öffentlichen Dienst
aufgenommen werden. Hier geht es um den Kern des Rechtsstaates: um die Trennung von Staat
und Religion. In Staatlichen Schulen und Einrichtungen muss gewährleistet sein, daß
Menschen, egal welcher Herkunft und Religion, nicht durch religiöse Kleidung oder Symbole
beeinflusst werden, daß wertfrei und neutral unterrichtet und beraten wird. Die meisten
Muslime in der Türkei und auch in Deutschland akzeptieren und verstehen diese Regelung.
Die äußeren Zeichen für "gläubig und nicht gläubig", für "ehrbar und
nicht ehrbar" oder "rein und unrein" sind heute nicht mehr zeitgemäß und
überwunden.
Auf der anderen Seite ist es notwendig, einen europaweit fehlenden Lehrstuhl für
islamische Thelogie einzurichten und in den Schulen islamischen Religionsunterrricht als
Regelfach in deutscher Sprache für alle Kinder muslimischen Glaubens einzuführen, damit
wir in Europa einen liberalen und offenen Islam bekommen. Als eine freie und tolerante
Gesellschaft dürfen wir auch nicht davon ausgehen, daß Frauen mit Kopftüchern auch
ihren Verstand verschleiern. Gegen eine Tätigkeit in Konfessionellen Einrichtungen,
soweit die Träger dies zulassen, ist daher nichts einzuwenden, bemerkt Dreessen.
Weitere Informationen der GRÜNEN zum "Kopftuchurteil":
"Verantwortlich diskutieren";
Stellungnahme von Angelika Beer und Omid Nouripour vom 24.09.2003
Pressemitteilung der Bundestagsfraktion vom
24.09.2003
"Große Chance" für eine sachliche
Diskussion - Drei Fragen an Omid Nouripour vom 24.09.2003
"Kopftuch im Unterricht: Grüne
beantragen aktuelle Stunde", Pressemitteilung der Grünen Landtagsfraktion vom
24.09.2003
Rede der Vorsitzenden der Grünen
Landtagsfraktion Sylvia Löhrmann vom 02.10.2003 (pdf)
Rede der migrationspolitschen Sprecherin der
Grünen Landtagsfraktion Sybille Haußmann vom 02.10.2003 (pdf)

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