31. März 2003
Ein
Einwanderungsgesetz mit Schwerpunkt Integration Nach Jahrzehnten Gaststatus und
nicht geregelter Integration brauchen die Migranten endlich klare Rahmenbedingungen, wie
sie sich integrieren sollen, statt Schuldzuweisungen für nicht gelungene Integration,
statt Wahlkampf auf ihrem Rücken, statt Ungleichbehandlung auf Grund von Herkunft,
sozialer Schicht oder nicht erworbenen Sprachkenntnissen, meint die migrationspolitische
Sprecherin der Bündnis 90/ Grüne Gladbeck, Müzeyyen Dreessen.
Auch wenn von bestimmten politischen
Parteien das Wort Einwanderungsland nicht gern gehört und ausgesprochen wird, Tatsache
ist, dass Deutschland längst ein Einwanderungsland geworden ist, aber diese Einwanderung
einer Regelung bedarf. Allein die demographische Bevölkerungsentwicklung, die oft als
Begründung für Einwanderung herhalten muß, ist keine gute Basis für zugereiste
Menschen ihren Lebensmittelpunkt langfristig hier zu planen. Die Bedarfe des
Arbeitsmarktes sollten ein entscheidender Faktor für Einwanderung sein. Die Politik und
alle gesellschaftlichen Gruppen müssen dabei die Anerkennung der Einwanderung vollziehen
und eine migrantenfreundliche Atmosphäre schaffen, damit die Menschen eine Perspektive
bekommen und sich mit dieser Gesellschaft identifizieren, führt Dreessen aus.
Unabhängig davon ist das Recht auf Familienzusammenführung und das Recht auf Asyl auf
Grund von staatlicher oder geschlechtsspezifischer Verfolgung auf der Basis der Genfer
Flüchtlingskonvention zu betrachten. Das Recht auf Asyl kann nicht in Frage gestellt
werden. Eine Beschleunigung und Entbürokratisierung der Verfahren ist allerdings geboten.
Das Thema Nachzugsalter für Kinder wird von der Opposition immer wieder aufgebauscht
thematisiert. Seit 1973 gibt es ein Anwerbestop für Arbeitskräfte, so dass der
überwiegende Anteil der ersten Arbeitskräfte auch ihre Familien bereits nachgeholt hat.
Nach Auskunft des Zentrums für Türkeistudien in Essen liegen die Zahlen für Kinder
türkischer Herkunft Bundesweit im Jahr bei ca. 8 500 Kindern, bei gleichzeitigem Fortzug
von ca. 7000 Kindern. Kinder gelten bis zum 18. Lebensjahr als minderjährig und sollten
daher in dieser Zeit ein Recht auf ein Leben bei ihren Eltern haben. Die meisten werden in
Deutschland geboren und leben bei ihren Familien, erläutert Dreessen.
Vorrangig neben der Regelung der Einwanderung auf der Basis der Bedarfe des Arbeitsmarktes
ist die Integration der seit Jahrzehnten bei uns lebender Migranten und ihrer Kinder zu
betrachten. Dieses Thema ist zu lange sich selbst überlassen gewesen. Gezielte
Integrationsmaßnahmen haben gefehlt. Auf Grund von eigenen Erfahrungen von
verantwortlicher ehrenamtlicher Tätigkeit in einem großen Migrantenverein und darüber
hinaus weiß ich, wie notwendig klare Rahmenbedingungen inzwischen sind. Integrationskurse
müssen verbindlich organisiert werden. Nach meiner persönlichen Einschätzung sogar als
Pflicht. Denn anders können wir traditionelle Familienstrukturen, die besonders für
Frauen integrationshemmend sich auswirken und Nischen, die sich heute in jeder
Stadt befinden, nicht aufbrechen. Wobei zur Integration nicht nur das Erlernen der Sprache
gehört. Für jeden der in dieses Land einreist, ob als Flüchtling, Ehepartner oder
Arbeitsmigrant, sollte eine Allgemeinbildung über Kultur, Religion, Grundgesetz,
Verfassung usw. dieses Landes, in der man befristet oder auf Dauer leben will, vermittelt
werden, führt Dreessen weiter aus.
Neben diesen Rahmenbedingungen für Erwachsene ist gleichberechtigter Zugang von Kindern
und Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu Bildungseinrichtungen ein wichtiger Faktor
für Integration. Kinder von Einwanderern kommen häufig aus Arbeiterfamilien. Sie sind
weder lernunwilliger noch lernunfähiger als deutsche Kinder. Die Pisa-Studie ist vielmehr
der eindrucksvolle Beleg dafür, welche dramatischen Folgen die fehlende soziale
Durchlässigkeit des deutschen Bildungssystems hat. Diese reduziert vor allem die
Integrationschancen von Migranten-Kindern. Der Gesetzentwurf der Landesregierung zur
Stärkung von Bildung und Erziehung vom Januar diesen Jahres, welches voraussichtlich zum
Schuljahr 2004/2005 in Kraft treten soll, wird für die Integration der Kinder mit
Migrationshintergrund ein Meilenstein sein. Es ist nämlich vorgesehen, die Anmeldung für
die Grundschule vorzuziehen, um den Eltern bei Bedarf eine Empfehlung für die
vorschulische Förderung geben zu können. Bereits bei der Anmeldung zur Grundschule
sollen Kinder mit unzureichenden Deutschkenntnissen verpflichtet werden können, an
vorschulischen Sprachförderkursen teilzunehmen. Schulkindergärten sollen abgeschafft
werden. Nach meinen Erfahrungen und Gesprächen mit Eltern weiß ich, dass es für sie oft
ein Grauen war, wenn ihr Kind nach kurzer Zeit auf Grund von Sprachschwierigkeiten aus der
gerade entstandenen Klassengemeinschaft herausgenommen und in den Schulkindergarten
zurückversetzt wurde. Der Motivationshemmer für den weiteren schulischen Werdegang wurde
an dieser Stelle sehr früh eingesetzt.
Klare Rahmenbedingungen der Einwanderung und Integration würden ein gesellschaftliches
Klima, in dem Migranten freundlich aufgenommen werden, noch fördern. Denn die
Mehrheitsgesellschaft wüsste dann, dass Einwanderung geregelt ist und Integration gezielt
betrieben wird. Nur wer gut die deutsche Sprache und die Strukturen dieses Landes
beherrscht, kann auch seine Herkunft, Tradition und Religion in den Dialog einbringen.
Dadurch kann Integration ein gegenseitiger Lernprozess werden, der beide Seiten bereichern
kann, weiß Dreessen aus eigener Erfahrung aus dem christlichen-islamischen Dialog zu
berichten.
Die migrationspolitische Sprecherin ist als Fazit der Meinung:
Deutschland ist längst nicht mehr aus einem Guß, sondern eine Komposition von Menschen
verschiedener Herkunft. Die Politik dabei insbesondere die Opposition muß
endlich konstruktiv und glaubwürdig daran arbeiten, dass daraus eine schöne Melodie
wird, statt sich die Option offen zu halten, das Thema immer wieder als Wahlkampfthema
benutzen zu können, statt den Migranten das Gefühl des unerwünscht seins zu vermitteln.
Das Ziel kann nicht eine nationale Identität, sondern eine Staatsbürgernation sein.
Müzeyyen Dreessen
Migrationspolitische Sprecherin

Weitere Infos:
Infos der grünen Bundestagsfraktion

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