19. März 2003
Stellungnahme
"Kinderlärm ist Zukunftsmusik" Sowohl der Bauausschuss als auch der
Jugendhilfeausschuss befassten sich mit dem geplanten Spielplatzbau am Nattkamp sowie
allgemein mit der Kinder- und Jugendfreizeitsituation in unserer familienfreundlichen
Stadt. Obwohl die Herangehensweise der Verwaltung an die Spielplatzkonzeption vorbildlich
und lobenswert ist, wurde in den Beratungen ein weiteres Mal deutlich, dass sich Kinder
und Jugendliche mit ihren Wünschen und Interessen in unserer Gesellschaft letztendlich
dennoch unterordnen müssen.
So frage ich mich wirklich, wie pervertiert eine Gesellschaft ist, in der Anwohner, die
unmittelbar neben einer sechsspurigen Autobahn wohnen, bei der Spielplatzausarbeitung die
Forderung nach lärmarmen Spielangeboten erheben. Obwohl im vergangenen Jahr
nach Erfurt Jugendliche, die lärmarm zu Hause vor der Videokonsole saßen, noch als
Abbild des Werteverfalls abgeurteilt wurden, scheint somit gerade dieser Prototyp des
lärmarmen Kindes das Wunschbild des deutschen Bürgertums zu sein.
Leider hat sich diese Auffassung einer Belästigung durch Jugendliche derart
verinnerlicht, dass selbst der Ausschuss, der seinem Namen nach der Jugend helfen soll, im
Zusammenhang mit Kinderspiel von Lärmbelästigungen spricht. Mit unserem
Antrag zur Kinder- und Jugendfreizeitsituation wollten wir uns dieser pervertierten
Grundhaltung, die mit Hilfe deutscher Bürokratie auch Einzug in die Rechtsprechung
gefunden hat, entgegen stellen und ein deutliches Zeichen für die Kinderfreundlichkeit in
unserer Stadt setzen.
Die Frage nach der Lösung der Wittringenproblematik, die die feiernden Abiturienten
höchst richterlich aber völlig realitätsfern zwingt, um 1 Uhr in Lärmarmut zu
versinken, offenbart jedoch das städtische Engagement für die Jugend. Während für den
Bau von Straßen monatelang nach Alternativlösungen gesucht wird, sieht man in diesem
Fall keinen weiteren Gesprächsbedarf. Weder wurden Alternativstandorte vorgeschlagen noch
sehen sich Stadt und Politik in der Verantwortung, an einer Lösung mitzuwirken.
Von Erwachsenen wird immer wieder die Respektlosigkeit beklagt, die Jugendliche älteren
Menschen entgegenbringen würden. Als genauso respektlos empfinde ich es aber, wenn man
Jugendlichen ihr Recht auf Entfaltung in unserer Stadt abspricht und ihre Bedürfnisse
nicht ernst nimmt. Für mich und meine Partei gilt daher weiterhin: Kinderlärm ist
Zukunftsmusik.
Bernd Lehmann
Stadtverbandssprecher

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