12. Mai 2002
Stellungnahme:
Kinder und Jugendliche nicht aburteilen

Krisenbewältigung läuft auch nach dem schrecklichen Erfurter Ereignis auf traurig herkömmliche Weise ab: statt sich mit Kindern und Jugendlichen auseinander zu setzen, wird eine ganze Generation und ihre Freizeitgewohnheiten abgeurteilt. Musik, Videospiele und Filme - all das, was Bestandteil der Jugendszene ist, wird von Politkern als Übel der ganzen Misere ausgemacht und für schlecht befunden. Nach dem Motto "früher war alles besser" wird so der Werteverfall der jungen Generation beklagt und als Lösung eine Verschärfung des Jugendgesetzes beschworen. Nach wie vor scheint es leichter zu sein, Verbote auszusprechen als Verständnis und Interesse aufzubringen.

Gerade diese indirekte Schuldzuweisung, mit der man die Ursachen des Amoks bei der Jugend selber vermutet, ist meines Erachtens einfach nur billig. Erwachsene machen es sich hiermit zu einfach. Dabei sind sie es, die sich selber an die eigene Nase packen sollten. In diesem Zusammenhang sind Fragen durchaus berechtigt, inwieweit die Schuld auch bei Erwachsenen zu suchen ist, die wegen "Lärmbelästigung" gegen einen Bolzplatz klagen. Und welche Verantwortung Anwohner tragen, die gegen eine Jugendparty mehrerer Schulen richterlich vorgehen wollen? Welchen Beitrag zur Freizeitgestaltung von Kindern leistet der Einzelhandel, der Skater aus der Innenstadt verjagt, weil diese eine Belästigung für Kunden darstellen? Nachbarn, die einen Sichtschutz fordern, um nicht auf herumlungernde Jugendliche schauen zu müssen? Ein prägendes Erlebnis aus meiner eigenen Kindheit war, wie Nachbarn aus Angst um ihre Autos die Polizei riefen, als wir mit Freunden auf dem Wendehammer Rollhockey spielten.

Durch unser Verhalten grenzen wir Kinder und Jugendliche in ihrer Freizeitgestaltung systematisch aus. Auch in der kinderfreundlichen Stadt Gladbeck wird Kinderspiel als "Lärm" bewertet. Es ist kein Wunder, dass man daher heute in der Zeitung liest, unsere Kinder würden im Durchschnitt nur noch einmal pro Woche an der frischen Luft spielen. Die tragischen Folgen der Ausgrenzung sollen nun durch weitere Verbote eingedämmt werden.

Meines Erachtens ist es nicht die Musik, sind es nicht die Computerspiele, sind es nicht die Videofilme die man überdenken sollte.

Bernd Lehmann
Bundestagskandidat / Stadtverbandssprecher

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