15. Januar 2003
Brief an
Bürgermeister Schwerhoff:
Umgang mit PCB-GrenzwertenSehr
geehrter Herr Schwerhoff,
bisher haben Bündnis 90 / DIE
GRÜNEN die Frage der PCB-Kontamination der Bürotürme sowohl in den Ausschüssen als
auch in der öffentlichen Auseinandersetzung konstruktiv und sachlich begleitet. Es war
und ist unser Anliegen, gesundheitliche Risiken für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
der Verwaltung zu minimieren. Dabei legten wir wert darauf, weder unbegründet
Verdächtigungen aufzubauen, noch Panik zu schüren oder gezielt Emotionen zu wecken, wie
dies zum Teil von einer anderen im Rat vertretenen Fraktion betrieben wurde und wird.
Unsere öffentliche Zurückhaltung jedoch als Desinteresse zu verstehen, wäre
selbstverständlich falsch. Während und nach der Pilotsanierung sowie nach Vorliegen der
jeweiligen Sachstandsberichte und Sanierungsgutachten durch das Hygiene-Institut tauschten
sich Stadtverband und Ratsfraktion sowohl mit unserem Landesverband und der
Landtagsfraktion als auch mit dem Büro von Umweltministerin Höhn aus. Auch der
Sachverstand der jeweiligen Ministerien - des Städtebauministeriums sowie des
Umweltministeriums - wurde abgefragt und die aktuelle Grenzwertdiskussion, mit der unsere
Umweltministerin das Landesumweltamt (LUA) beauftragt hat, verfolgt.
Bei der weiteren Bewältigung dieser schwierigen Aufgabe können Sie auch in Zukunft auf
die Unterstützung durch Bündnis 90 / DIE GRÜNEN bauen. Bisher hatten wir keinen Grund
daran zu zweifeln, dass Sie als Arbeitgeber ihrer Verantwortung gegenüber Ihren
Angestellten und deren Gesundheit gerecht würden.
Leider wurden jedoch in der jüngsten Vergangenheit von einzelnen Verwaltungsmitarbeitern
Klagen an uns herangetragen, dass die Ängste der Beschäftigten, die in den
PCB-belasteten Räumen arbeiten, nicht ernst genug genommen würden. Diese Sorgen und
Ängste sind für mich vor dem Hintergrund der nachweislichen Gesundheitsrisiken absolut
nachvollziehbar. Verwaltungsspitze und Politik sollten gemeinsam alle Anstrengungen
unternehmen, um das Vertrauen der Mitarbeiter in unsere Gesundheitsfürsorge und in unsere
Bemühungen zur Gefahrenabwehr zu erhalten.
Konkret wurde von den Mitarbeitern mir gegenüber der unflexible Umgang mit den
PCB-Grenzwerten beklagt. Die starre Anwendung der PCB-Richtlinie hätte zur Folge, dass
Mitarbeiter trotz ihres geäußerten Unbehangens weiterhin verpflichtet seien, in Räumen
zu arbeiten, in denen die PCB-Raumluftkonzentration nur gering unter dem Interventionswert
von 3.000 ng/m³ liegt. In diesen Fällen würde die Verwaltungsspitze keinerlei
Entgegenkommen zeigen und sei nicht bereit, gemeinsam Lösungen zu suchen.
Wie Ihnen bekannt ist, habe ich selbst anderthalb Jahre in Ihrer Verwaltung gearbeitet und
weiß um den Todesfall (nach langer Krankheit) in meinem früheren Kollegenkreis. Auch
wenn ein Zusammenhang mit der PCB-Belastung selbstverständlich zunächst nur reine
Spekulation ist, begründet er doch die Ängste und die tiefe Verunsicherung, die die
Angestellten trotz unserer Sanierungsbemühungen und trotz der Abrisskonzepte nach wie vor
haben. Diese Ängste können wir nicht durch die starre Anwendung der Richtlinie beiseite
kehren.
Im Bezug auf die der Richtlinie zugrunde liegenden Grenzwerte weise ich darauf hin, dass
bereits im Oktober 2001 im Landesumweltamt eine Anhörung von Fachleuten aus dem gesamten
Bundesgebiet zur toxikologischen Bewertung von PCB bei Aufnahme durch die Atemluft statt
fand. Von der überwiegenden Mehrheit dieses Expertenkreises wurde festgehalten, dass die
bisherigen Vorsorge- und Interventionswerte aus toxikologischer Sicht nicht länger
haltbar sind und neu bewertet werden sollten. Auf dieser Basis wird - wie Ihr Gutachten
vom 05.11.2002 auf Seite 9 richtig feststellt - zur Zeit an einer Revision der Richtlinie
gearbeitet.
Hinzu kommt, dass Gebäudeeigentümer bei einer nachgewiesenen PCB-Raumluftkonzentration
von 300 bis 3.000 ng/m³ aufgefordert sind, die Immissionsquellen mittelfristig zu
beseitigen. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, auf welchen Zeitraum der
Begriff mittelfristig auszudehnen ist und wie lange den betroffenen
Angestellten zugemutet werden kann, in den verseuchten Räumen zu arbeiten. Bis zur
endgültigen Lösung - also der Unterbringung in Alternativstandorten -werden
wahrscheinlich weitere Monate vergehen. Rückblickend wird somit der Begriff
mittelfristig für die Bürotürme bereits mit mehreren Jahren definiert,
während im Falle der Schulen umgehend Sanierungsmaßnahmen eingeleitet wurden.
Es wird also weder in Ihrem Interesse als Verwaltungschef noch in meinem Interesse als
politischem Vertreter sein, uns mit späteren Anschuldigungen konfrontiert zu sehen, wir
hätten diese Grenzwertdiskussion sowie die sich abzeichnende Grenzwertsenkung missachtet
und die gesundheitlichen Risiken für die Angestellten unterbewertet. Ich persönlich
möchte diesen Vorwurf nicht nur aus rechtlicher, sondern insbesondere aus moralischer
Sicht ausräumen können.
Ich bitte Sie daher, gemeinsam mit den Betroffenen nach akzeptablen Lösungen zu suchen,
die dem Anspruch unserer Verwaltungsmitarbeiter nach sicheren Arbeitsplätzen gerecht
wird. Wie in der Vergangenheit bieten sowohl Herr Herrmann als Fraktionsvorsitzender als
auch ich als Stadtverbandsvorsitzender Ihnen unsere Gesprächsbereitschaft in dieser
Angelegenheit an. Für eine kurze Stellungnahme wäre ich Ihnen sehr dankbar.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd
Lehmann
Stadtverbandssprecher |
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