14. März 2001
Lieferung von
200.000 Rindern an NordkoreaAn die
Ministerin für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft
Frau Renate Künast
Lieferung von 200.000 Rindern an Nordkorea
Sehr geehrte Frau Ministerin,
wir möchten uns als Stadtverband und Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen Gladbeck heute
an Sie wegen der geplanten Schlachtung von 400.000 Rindern mit der Bitte um
Berücksichtung im laufenden Verfahren richten:
Wir halten es ethisch vertretbar, der Tötung der Tiere unter der Bedingung zuzustimmen,
dass in Verhandlungen mit der nordkoreanischen Regierung über eine kostenfreie Lieferung
von 200.000 Rindern zum Verzehr getreten wird. Eine geordnete und hilfsorganisatorisch
begleitete Überbringung an die Bevölkerung sollte gewährleistet werden.
Hintergrund der zu treffenden Entscheidung ist einerseits ein momentaner durch
Kaufzurückhaltung des Konsumenten bedingter Marktüberhang auf unserem Fleischmarkt und
andererseits eine akute Hungersituation in einem Dritte-Welt-Land, die dieses Land aus
eigener Anstrengung nicht mehr lösen kann. Die Hilfelieferung ist daher auch als ein Akt
der Solidarität mit den betroffenen Menschen zu werten, hierunter eine Vielzahl von
Kindern.
Im Detail scheint die Lieferung aus folgenden Gründen sinnvoll und geboten: In der
Volksrepublik Nordkorea besteht in der Bevölkerung und dabei insbesondere bei den Kindern
eine hunderttausendfache Hungersnot. Durch einen Mangel an Fetten und Proteinen wird die
Gesundheit einer ganzen Generation in Frage gestellt und damit deren Zukunftschancen
bedroht. Eine umfangreiche Lieferung von Rindfleisch wäre in dieser Situation eine
effektive Hilfestellung.
Zu betonen ist in diesem Zusammenhang, dass es sich bei dem Fleisch um getestestes Fleisch
handelt, das unter anderen Marktbedingungen auch auf dem europäischen Markt zum Verzehr
gelangt wäre. Der Umstand, dass laut Berechnungen von durch den "Stern"
beauftragten Experten zusätzliche Kosten - im Vergleich zu einer tierethisch bedenklichen
Verbrennungsaktion - in Höhe von ca. 25 Mio. DM anfallen, belegt dabei, dass es sich bei
einer solchen Aktion keinesfalls um eine ökonomisch motivierte Umleitung von
Überschüssen des EU-Agrarsystems handelt.
Eine Hilfslieferung würde für die betroffenen Menschen Überlebenszeit gewinnen, wobei
auf eine Wandlung ihrer Gesellschaft in Richtung von mehr Freiheit, Selbstentfaltung und
Geltung der Menschenrechte gehofft werden darf. Auf Grund der wirtschaftlichen Struktur
des Landes - Planwirtschaft mit geringen privatwirtschaftlichen Elementen im Sinne einer
Selbstversorgung - werden heimische Marktstrukturen nicht gefährdet.
Eine Massen-Vernichtungsaktion bei Rindern mit rein ökonomischer Begründung -
Preisstabilisierung des Rindfleischpreises bei Überangebot - widerspricht einer
angestrebten tierethisch fundierten ökologischen Landwirtschaft, wie sie sich z. B. in
den Forderungen nach artgerechter Haltung und Fütterung ausdrückt. Die Massentötung
verärgert insbesondere die Tierschützer in unseren Reihen. Das Tierschutzgesetz erlaubt
eine Tötung von Wirbeltieren nur bei triftigem Grund, der mit einer rein ökonomischen
Begründung nicht gegeben sei.
Die momentanen finanziellen Ausfälle der Bauern bei der Fleischerzeugung können durch
Einführung einer "Grünlandprämie" teilweise ausgeglichen werden, die den
Aspekt der Landschaftspflege durch die Bauern und Bäuerinnen besonders hervorhebt und
auch finanziell honoriert. Der landwirtschaftliche Etat sollte - wie von Ihnen vorgesehen
- statt für eine undifferenzierte Förderung der Landwirtschaft durch Kopfprämien für
eine Umsteuerung gemäß einer umweltschonenden, qualitativ orientierten, artgerechten und
damit tierethisch vertretbaren Tierhaltung verwendet werden, die die
Tierbestandssubventionierung an vorzuweisende Ackerflächen bindet bzw. die
Subventionierung allein am vorhandenen Grünland orientiert.
Gleichzeitig möchten wir klarstellen, dass die Lieferung ein Einzelfall unter
Berücksichtigung der besonderen Umstände darstellt. Keinsfalls präjudiziert diese
Lieferung den Umgang mit dem weltweiten Hungerproblem in irgendeiner Weise. Die bisherigen
Bemühungen der Bundesregierung in dieser Frage begrüßen wir vielmehr und auf eine
weitere Intensivierung der politischen Aktivitäten legen wir besonderen Wert.
Mit freundlichen Grüßen
Mario
Herrmann
Fraktionsvorsitzender |
Eva-Maria
Stuckel
Stadtverbandssprecherin |
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