Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, Mitarbeitende der Verwaltung, sehr geehrte Kolleg:innen und liebe Gäste.
Das Jahr 2024 neigt sich dem Ende zu und um ehrlich zu sein, hätte ich nicht gedacht, dass ich am heutigen Tag erneut hier stehen würde, um die Haushaltsrede für meine Fraktion zu halten. Allerdings passt diese unerwartete Wendung sehr gut zum Gesamteindruck, den dieses Jahr hinterlassen hat.
Es war ein sehr unruhiges und vor allem beunruhigendes Jahr, sowohl bundes- als auch weltpolitisch.
In diesen ohnehin herausfordernden Zeiten, in denen wir mit Fremdenhass, Klimakrise, Kriegen, Flucht und rasant fortschreitender Digitalisierung sowieso kaum Schritt halten können, befinden wir uns außerplanmäßig im Winter-Wahlkampf, feiern die Rechten im Osten erschreckende Landtagswahlergebnisse und in den USA ist ein verurteilter Straftäter erneut zum Präsidenten gewählt worden. Damit ist eine Politik auf dem Vormarsch, die für Rück- statt Fortschritt steht, die Frauenrechte beschränkt, Diversität verurteilt und die größte Gefahr unserer Zeit, den Klimawandel, verleugnet.
„Es gibt nicht DAS eine Problem, es gibt unendlich viele, alles verändert sich gefühlt minütlich.“
– Ninja Lenz, Fraktionsvorsitzende
In diesen Zeiten Politik zu machen ist schwer. Es gibt nicht DAS eine Problem, es gibt unendlich viele, alles verändert sich gefühlt minütlich und es wird schwieriger Allianzen zu bilden. Wer verspricht, für alles eine Lösung zu haben, spricht nicht die Wahrheit. Vielmehr muss es darum gehen, die Probleme anzupacken.
Umso wichtiger ist es aber, dass wir, gemeinsam mit allen anderen demokratischen Parteien, geschlossen auf einer Seite stehen, uns natürlich in der Sache streiten, aber immer wieder entschlossen gegen rechte Parolen einstehen.
Wir, die wir heute hier im Rat versammelt sind, werden im nächsten Dezember nicht mehr in dieser Konstellation hier so sitzen. Und dennoch plädiere ich eindringlich dafür, dass wir und auch der nächste Rat, es schaffen, gute und vor allem zukunftsorientierte Politik für unsere Stadt zu machen.
Durch das Ende der Ampelregierung steuern wir nun auf Neuwahlen im Februar zu. Auch hier gilt es, dafür zu kämpfen, dass diese zu einem deutlichen Zeichen für die Demokratie aber vor allem auch für eine lebenswerte Zukunft werden. Bei der ganzen Diskussion in den vergangenen Wochen, kommt es zu kurz, den Blick auch auf die Erfolge dieser Regierung zu legen, die deutlich machen, dass hier die richtigen Impulse zur Bekämpfung des menschengemachten Klimawandels gesetzt wurden.
Wir verzeichnen einen Rekordanstieg bei erneuerbaren Energien seit Beginn dieser Regierungsperiode und auch der Verkehrswende wurde mit Einführung des Deutschlandtickets ein großer Anschub gegeben. Auch im sozialen Sektor wurde mit der Erhöhung des Mindestlohns ein wichtiger Schritt getan und im Bereich Bildung hat die Einführung des Startchancen-Programms die Zukunft der nachfolgenden Generationen im Blick. Durch das Programm werden NRW bis 2034 2,3 Milliarden Euro durch den Bund zur Verfügung gestellt, um das Bildungssystem nachhaltig zu verbessern und Chancengleichheit für sozioökonomisch schwache Regionen zu schaffen. Hiervon profitieren auch 3 Gladbecker Schulen.
Der Haushalt, den die Verwaltung uns heute zur Abstimmung vorgelegt hat, weist ein Defizit von rund 31 Mio. € auf, welches sich somit im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt.
Uns als Grüne ist bewusst, dass die Kosten auf allen Ebenen steigen und dass wir auch in diesen Zeiten nicht vergessen dürfen, unsere Stadt weiterzuentwickeln.
Wir möchten dabei allerdings vor allem in den Bestand investieren, anstatt diesen verkümmern zu lassen und anstatt an anderer Stelle immer wieder viel Geld für Neubebauprojekte in die Hand zu nehmen.
Selbstverständlich hoffen auch wir, wie wahrscheinlich alle in diesem Saal, auf die lang ersehnte Altschuldenlösung und Unterstützung von Land und Bund in dieser Krise.
Doch auch wie in den vergangenen Jahren, stehen wir Grüne dafür ein, diese Schuldenlast ernst zu nehmen und nicht den nachfolgenden Generationen aufzubürden. Die Unterstützung durch Land und Bund, ist wünschenswert, aber keinesfalls gesichert. Dem Ansatz der Kolleg:innen von der SPD, die Verantwortung von uns zu weisen, können wir nicht folgen. Wir müssen uns HEUTE diesen Problemen stellen. Wir müssen es schaffen, den Karren sukzessive auch selbst wieder aus dem Dreck zu ziehen, statt die Augen zu verschließen und den nachfolgenden Generationen zu überlassen.
Ich möchte daher im Folgenden den Status Quo ins Auge fasse, auch wenn die Kolleg:innen der anderen Parteien es nicht mehr hören können.
„Allein für die A52-Pläne werden in den nächsten 5 Jahren kommunale Mittel von knapp 10 Mio € ausgegeben. Das Geld und Personal, das wir hier vor Ort an dieses Projekt binden, fehlt uns an anderer Stelle: Für die Sanierung unserer Brücken, der Radwege, Schulen und Straßen.“
– Ninja Lenz, Fraktionsvorsitzende
Allein für die A52-Pläne werden in den nächsten 5 Jahren kommunale Mittel von knapp 10 Mio € ausgegeben. Und das für ein Projekt, das aus unserer Sicht nicht – oder zumindest nicht in der gewünschten Form mit Tunnel – umgesetzt werden wird. Im Bundesverkehrswegeplan ist der Gladbecker Abschnitt vor 10 Jahren mit 118 Mio. € eingeplant worden. Auch im Bund geht vorhandene Infrastruktur zu Grunde, Brücken müssen gesperrt und Abschnitte saniert werden. Dass da Geld für unsere Tunnel-Träume bereit gestellt werden, halten wir für illusorisch – zumal auch die Ausbaukosten sich in den 10 Jahren verdoppelt haben werden.
Das Geld und Personal, das wir hier vor Ort an dieses Projekt binden, fehlt uns an anderer Stelle: Für die Sanierung unserer Brücken, der Radwege, Schulen und Straßen.
Unsere weitere Forderung, nämlich der Erhalt der Steinhalde, der für viele Bewohner:innen Butendorfs eine wichtige Lärmschutzmauer bedeutet, wird ebenfalls mit großer Mehrheit kein Gehör geschenkt.
Die Steinhalde ist aber sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch ein Risiko. Für die Umsetzung der Abtragung stehen uns bis 2027 EU-Fördergelder aus dem Just-Transition-Fond zur Verfügung. Die Verwaltung hatte 2024 13,1 Mio. € im Haushalt eingeplant, verausgabt wurden bisher 100.000€.
Nun werden die Mittel ins Jahr 2026 geschoben. Wir halten es für absolut unrealistisch ein 25 Mio-Projekt in 2 Jahren umzusetzen, erst Recht bei mangelnder Personallage. Ab 2027 droht dann der Wegfall der EU-Mittel und bei einer unerwarteten Kostenübersteigung muss auch die Stadt diese tragen.
Des Weiteren ist dies ein ökologisches Desaster. Der abgetragene Schutt muss mit LKW weggeschafft und an anderer Stelle entsorgt werden. Und das ohne zu wissen, welche Altlasten uns dort überhaupt erwarten.
Wir können dem Haushalt in dieser Form daher leider heute nicht zustimmen.
Der Stellenplan, den die Verwaltung uns vorgelegt hat, umfasst 50 neue Stellen. Dies führt dazu, dass die Verwaltung erneut wächst und das ohne, dass sich bei dieser Dynamik ein Ende absehen lässt. Wir haben daher am Montag im HFDA dem Vorschlag der CDU zugestimmt, dass die Verwaltung uns dafür einen Lösungsansatz ausarbeiten soll. Es kann nicht sein, dass der Verwaltungsapparat immer weiter aufgebläht wird.
Natürlich sehen wir, dass es immer neue und komplexere Aufgaben zu stemmen gibt, wir erkennen auch die Arbeit der Verwaltung an. Dennoch muss an dieser Stelle ein Konzept ausgearbeitet werden und der Realität ins Auge gesehen werden, dass das Personal effizienter eingesetzt werden muss. Leider gab es für diesen Antrag der CDU keine Mehrheit im HFDA.
Die Tatsache, dass wir zu viel Personal beschäftigen, das sich in unseren Augen vor allem teils mit falschen Projekten beschäftigt, darf dennoch nicht zu Lasten wirklich dringend zu unterstützender Bereiche gehen. Dies gilt insbesondere für die Bereiche Bildung und Soziales. Prävention ist eines der besten Mittel, die wir als Gesellschaft haben, um zukünftigen Problemen zu entkommen.
„Wir Grüne haben daher gefordert statt der 4 neu beantragten KOD-Stellen, drei Streetworker:innen-Stellen einzurichten.
– Ninja Lenz, Fraktionsvorsitzende
Wir Grüne haben daher gefordert statt der 4 neu beantragten KOD-Stellen, 3 Streetworker:innen-Stellen einzurichten.
Wir finden, dass die Mär der Sicherheit durch mehr KOD nicht weiter erzählt werden sollte. Laut Polizeistatistik ist Gladbeck keine unsichere Stadt und den Problemen, die Bürger:innen vor allem an Humboldtstraße und Skaterpark beklagen, werden wir mit Streetworker:innen deutlich mehr gerecht als mit weiteren Ordnungsamt-Kräften. Die Aufstockung des KOD dient einzig dem SUBJEKTIVEN Sicherheitsgefühl. Real können diese Mitarbeiter:innen aber oft gar nicht viel machen. Sie sind nicht befugt, die Polizei zu ersetzen. Es wäre Aufgabe des Landes NRW die Polizeipräsenz hier vor Ort zu erhöhen. Stattdessen stellen wir nun 4 neue KOD-Mitarbeiter:innen ein, die das Gefühl vermitteln sollen, Gladbeck sicherer zu machen. Wie Kollege Jurkosek Montag sehr treffend ausführte, unterscheiden diese sich inzwischen nicht einmal in Auftreten und Auto-Farbe von der Polizei. Natürlich ist der Frust der Bürger:innen groß, wenn diese Ordnungskräfte dann am Ende nicht wirklich etwas ausrichten können. Mehr KOD ist da aber nicht die Lösung.
Leider findet dieser Ansatz vor allem bei der SPD kein Gehör. Wir freuen uns dennoch, dass auch die Streetworker:innen um 3 Stellen aufgestockt werden sollen, wie von uns gefordert.
Das Personal ist das Herzstück der Verwaltung. Wichtige Bereiche würden handlungsunfähig, wenn der Stellenplan keine Zustimmung erhielte. Dies ginge vor allem auch auf Kosten der Kinder und Jugendlichen in unserer Stadt. Wir werden dem Stellenplan daher heute zustimmen, aber bitten die Verwaltung eindringlich, ein Konzept zur Reduzierung in den nächsten Jahren zu erarbeiten. Der Vorschlag der CDU, an dieser Stelle vor allem auf Digitalisierung zu setzen halten wir für richtig und wichtig. Außerdem sollte das vorhandene Personal effizienter und zukunftsorientierter eingesetzt werden.